Wer will schon schmutziges Wasser trinken? Aktionstag zum Umweltschutz mit den Sang Sangai-Patenkindern

Laut gelacht, geklatscht und gesungen wird im Bus, der auf schlechten Straßen in den Ort Bisanku Narayan hoch hinauf über das Kathmandu-Tal schaukelt. Es sind die Sang Sangai-Patenkinder mit ihren Eltern – teilweise werden sie auch von Großvater oder Tante zum Sang Sangai-Aktionstag begleitet.

15 kleine Nepalesen und Nepalesinnen sind es, die sich samt Angehörigen mit erwartungsvollen Gesichtern am Vormittag am Treffpunkt in Kathmandu einfinden. Es soll ein aufregender Tag werden. Begonnen wird er mit einem typisch nepalesischem Frühstück im kleinen Tempel von Bisanku Narayan. Alle sitzen auf dem Boden, es gibt in Öl gebackene Kringel aus Reismehl, Mangosaft, gekochte Eier, scharf gewürzte gekochte Kartoffelstücke mit Kichererbsen. Das alles ganz umweltbewusst auf Tellern aus Bananenblättern. Denn heute geht es um die Natur und weshalb reine Luft, sauberes Wasser und eine Umwelt ohne Müll so wichtig sind für die Kinder und ihre gesunde Entwicklung.

Die Kinder sind hungrig, einige sind schon seit fast vier Stunden auf den Beinen – sie kommen aus dem ans Kathmandu-Tal angrenzenden Distrikt Dhading. Durch die meist katastrophale Verkehrssituation gleicht die Fahrt auf den nicht einmal 20 Kilometern oft einer kleinen Weltreise.

Während einer kurzen Wanderung im Pinienwald sammeln die Kinder, was sie in der Natur finden können: Blätter, Blüten, Stöckchen, Zapfen. Damit bekleben sie, auf einer Lichtung angekommen, Bilderrahmen aus heimischem Lokthapapier. Wie schön ein kleines Ästchen eines Farns sein kann, wie herrlich eine Blüte duftet, das erfahren die Kinder während ihrer Bastelarbeit. Einige Tage später werden die Kinder den Bilderrahmen mit einer Kopie des Gruppenbilds vom Ausflug als Erinnerung an den Tag erhalten.

Als nächstes stellen sich die Kinder und ihre Angehörigen mit einem Ballspiel vor. Wer den Ball zugeworfen bekommt, nennt den anderen Name, Alter, Wohnort und Name der Schule – die meisten Kinder treffen sich heute zum ersten Mal, denn die Sang Sangai-Patenkinder sind auf drei verschiedene Orte in Nepal verteilt.

Und um dem Thema Naturschutz weiter näher zu kommen, geht das Ballspiel weiter. Das Kind, das den Ball bekommt, soll ein Objekt aus der Natur nennen, das mit dem selben Buchstaben als der eigene Vorname beginnt. Die Kinder schütteln sich vor Lachen, als das eine Mädchen aus Dhading ab jetzt die Mango ist und der andere Junge aus Bhaktapur ein Pinguin.

Später betritt zweite Vereinsvorsitzende Claudia Schülein die Bühne. Mit listigem Blick fragt sie in die Runde: „Was ist das Wichtigste in Deinem Leben?“ „Familie“, „die Wahrheit“ oder „meine Mama“ kommen als Antworten. Dann holt sie den kleinen Roman in die Mitte des Kreises. Sie bittet ihn, tief Luft zu holen und die Luft anzuhalten. Dann zählen alle mit. 15 Sekunden lang schafft es Roman, ohne Sauerstoff auszukommen. Zustimmend nicken die Kinder: Luft ist lebensnotwendig und so gesehen, eines der wichtigsten Dinge für jeden Menschen.

Genauso ergeht es den Kindern mit sauberen Wasser. Schülein hält eine Flasche mit sauberem Wasser hoch. „Wer ist durstig?“ Einige Kinder melden sich. Doch Schülein öffnet die Flasche, bückt sich und lässt Steine, Sand und kleine Plastikmüllteile vom Boden in die Flasche fallen. Nach kräftigem Schütteln bietet sie die Flasche den Kindern an. Alle schütteln betroffen den Kopf. Solches Wasser will niemand trinken.

Auch hier haben die Kinder nun ganz klar vor Augen: Sauberes Trinkwasser ist eines der lebensnotwenigen Dinge für jeden Menschen.

Der Nachmittag wird kreischend und lachend abgeschlossen: Die Kinder wollen gewinnen: Beim Würstelschnappen (hier mit Keksen an einem Faden), bei Geschicklichkeitsaufgaben und beim Eierlaufen.

Die Gruppe wandert erschöpft, aber glücklich zurück und verzehrt ein mehr als leckeres Dhal Bhat auf der Dachterasse des Dorfgasthofs. Vorne wiegen sich die gelben Blüten eines Senffeldes in der leichten Abendprise, im Hintergrund strahlen die Schneebedeckten Himalayagipfel. Dort unten brodelt die große Stadt und eigentlich hat keiner so recht Lust aufzubrechen.

Auf der Rückfahrt werden im Bus die Geschenke an die Gewinner der Spiele verteilt und das Engagement aller Kinder geehrt.

„Bitte, bitte lass‘ uns sowas bald wieder machen“, bettelt der acht-jährige Aayush beim Aussteigen aus dem Bus. „So einen tollen Tag hatten wir schon lange nicht mehr!“ lachen die Kinder um ihn herum zustimmend.

 

„Da braucht es Aufklärung!“ – Katharina Rieker verbringt drei Monate als Praktikantin von Sang Sangai e. V. in Nepal

„Richtig geschockt hat mich, wie viel süße Getränke die nepalesischen Kinder bekommen. Das ist nicht gesund, da braucht es wirklich Aufklärung!“ erzählt Katharina Rieker und schüttelt bestimmt ihre langen blonden Haare.
Die 20-jährige ist seit fast drei Monaten in Nepal und arbeitet als freiwillige Helferin mit dem Sang Sangai Nepal-Team zusammen. In den ersten Wochen hat sie alle Sang Sangai-Patenkinder besucht und Berichte geschrieben. Sie hat mit dem nepalesischen Team die Handhabung von Computerprogrammen geübt und bereitet nun den Sang Sangai-Nature Action Day am 18. November vor – quasi als krönenden Abschluss ihres Nepal-Aufenthalts.
Seit über fünf Jahren verbringt sie ihre Freizeit mit „besonderen“ Kindern in einem Natur- und Pädagogik-Verein. Kurz bevor sie nach Nepal kam, hat Rieker erfolgreich ihr Abitur bestanden. Ihre Lieblingsfächer: Deutsch und Sport.
„Schon einige Monate davor fing meine Mutter an, mir von Ajit, seiner Reiseagentur und seiner Hilfsorganisation zu erzählen“, erinnert sich Rieker. Mama Simone, Besitzerin des Ausrüstungsladens „Reisefieber“ in Bad Homburg, plant eine Trekking-Reise ins ehemalige Königsreich Mustang in Zusammenarbeit mit Ajit Laxman Dhakals Reiseagentur Explore & Enjoy Travels and Tours Pvt. Ltd. Und seit fast zwei Jahren gehen alle Erlöse der Reisefieber-Laufveranstaltungen in Dhakals Hilfsorgansiation Sang Sangai e. V. Dann ging alles ganz schnell: „Ich wollte immer nach dem Abitur ein paar Monate ins Ausland und Gutes tun“, resümiert Rieker. Und flugs saß sie im Flieger nach Kathmandu.
Die junge Frau wohnt in der Familie eines Teammitglieds in Pashupatinath, mitten in der Hauptstadt Nepals. Es sei eine wichtige Erfahrung gewesen, in einer lokalen Familie zu leben. Nur dadurch habe sie so schnell so tief in die Kultur des Landes eintauchen und über die alltäglichen Schwierigkeiten in Nepal lernen können.
„Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit den Patenkindern zu spielen und zu lachen. Aber am Schönsten – das gebe ich zu – habe ich die Natur und die Landschaften während unseres Treks gefunden“, lächelt Rieker. Außerdem habe sie begeistert, mit wie wenig die Menschen Nepals auskommen und trotzdem einen fröhlichen Eindruck machen.

„Klar komme ich nochmal nach Nepal“ ist sich Rieker ganz sicher. Sie möchte noch viele Trekking-Tage im Himalaya verbringen und „…den Familien bewusst machen, wie wichtig eine gesunde Ernährung, richtige Zahnpflege und eine ernsthafte Ausbildung für ihre Kinder sind.“ Ein weiterer Projekteinsatz für Sang Sangai ist also schon geplant.

 

Ein Gesicht ist manchmal mehr als viele Gesichter – Rudraksh-Bäume für Dhading

Der Rudraksh-Baum ist im Hinduismus heilig und Gott Shiva geweiht. Seine Beeren werden im getrockneten Zustand zu den im Hinduismus wichtigen Gebetsketten geflochten. Diese Ketten erzielen gute Preise, wodurch auch die Beeren immer begehrter auf den lokalen Märkten werden. Und wer besonderes Glück hat, erntet eine Beere mit dem sogenannten „einen Gesicht“, einer besonderen Maserung. Diese Beeren erzielen auf dem internationalen Markt mittlerweile bis zu hunterttausend Euro und darüber.

Im Sang Sangai-Projekt-Dorf in Dhading, etwa zwei Autostunden außerhalb von Kathmandu, ist Wasser knapp und es wird von Jahr zu Jahr heißer. Rudraksh-Bäume brauchen nicht viel Wasser und vertragen einiges an Hitze im Sommer. So stoppt am Vormittag eines heißen November-Tages eine großer Pick-Up mitten im Dorf, die Ladefläche voll mit jungen Rudraksh-Bäumen. Die Dörfler, besonders die Familien der Sang Sangai-Patenkinder, scharen sich um den Wagen. Jeder packt mit an und das Sang Sangai-Team steigt mit den Familien einen steilen Hügel hinauf. Dort oben hat ein Bauer sein Land zur Verfügung gestellt, um eine kleine Rudraksh-Plantage fürs Dorf anzulegen. Besonders die fünf Sang Sangai-Patenkinder strahlen: Heute werden sie ihren eigenen Baum erhalten. Neben den ca. 35 Bäumen, die den Dörflern zur Verfügung stehen und den 15 Bäumen, die in der Schule der Sang Sangai-Patenkinder gepflanzt werden, wird für jedes der vier Mädchen und dem einen Jungen ein Baum eingegraben, der sie durchs Leben begleiten soll.

Bäume spenden Schatten und reinigen die Luft. Wenn sie dann auch noch pflegeleicht sind und sich ihre Früchte gut verkaufen lassen, passen sie noch besser ins Bild eines nachhaltigen Entwicklungsansatzes. Die Löcher haben die Bauern schon gehackt. Nun gilt es, die Wurzeln ins Wasser zu tauchen, die Bäume in die Gruben zu setzen und diese mit Erde zuzuschaufeln. Alle helfen mit – vom Kleinkind bis zum Dorfältesten. Dann hält Ajit Laxman Dhakal, Vereinsvorsitzender von Sang Sangai e. V., eine Rede. Er betont, wie wichtig es für die Kinder ist, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen und wie sehr Bäume dazu beitragen. „Und nun wünsche ich Euch, dass Ihr viele Rudraksh-Beeren verkaufen könnt und dass einer von Euch das große Glück hat, eine mit dem „einen Gesicht“ zu ernten!!“ schließt Dhakal seine Ansprache. Alle lachen und reiben sich die Hände und die Patenkinder lassen sich mit schüchterner Miene neben ihren eigenen Bäumen ablichten.