Text: Bianca Besele und Claudia Schülein

Der 26-Jährige Ram Acharya unterstützt den Verein Sang Sangai Nepal als Schriftführer und rechte Hand der Präsidentin Durga vor Ort in Nepal.

Ram ist mit seinem Vater, seiner Schwester und seinem Bruder ohne Mutter und ohne festes Zuhause in der Tempelanlage Pashupatinath aufgewachsen. Heute umschreibt er seinen Lebensstandard als „not so good and not so bad“ – was so viel wie Mittelschicht bedeutet – eine enorme Steigerung, wenn Ram an seine Kindheit und Jugend denkt. Bereits seit Jugend an, arbeitete Ram für soziale Projekte und Organisationen. Es bedeutet ihm viel, hilfsbedürftigen Personen zu helfen und das macht er gerne und viel. Ebenso wie das bereits vorgestellte Vorstandsmitglied, Sumit Kharel, arbeitet Ram neben seinem Studium als Fremdenführer in Pashupatinath. Tag für Tag führt er, als einer der selber gerne reisen geht, Touristen durch die Tempelanlage und erklärt ihnen die Bedeutung der einheimischen Bräuche. So will auch er – wie Sumit -, seinen nicht-hinduistischen Gästen, die Riten und Praktiken erklären, die im Tempel zum Alltag der Gläubigen gehören. Doch dies ist nur eine Seite von Rams Alltag. Im Gespräch erzählt er, wie er zu Sang Sangai gekommen ist, wie es mit seinem Studium läuft und was er sich für die Zukunft wünscht.

Wie sieht ein gewöhnlicher Tag für dich in Nepals Hauptstadt Katmandu aus?

Ich bin Student auf der Tribhuvan Universität und jeden Morgen um 06:15 Uhr beginnen meine Vorlesungen und Seminare. Während andere noch schlafen, drücke ich im Hörsaal die „Uni-Bank“. Wenn meine Kurse dann um 09:30 Uhr für den Tag zu Ende sind, gehe ich zum Mittagessen nach Hause. Nachmittags wartet dann auch schon die Arbeit im Tempel Pashupatinath. Dieses Jahr stehen meine Abschlussprüfungen für den Bachelor an. Sollte ich es schaffen – und davon gehe ich mit Saraswatis (Anmerkung: Göttin der Weisheit im Hinduismus) Hilfe aus (lacht) – geht’s mit Vollgas an das Master Studium.

Wie bist du zu Sang Sangai gekommen?

Nach dem großen Erdbeben im Frühjahr 2015 kam mein Bruder Ajit (Anmerkung: In Nepal bezeichnen sich enge Freunde als „Brüder“ – die Bezeichnung hat – wie in diesem Fall – nicht notwendigerweise mit Blutsverwandtschaft zu tun.) aus Deutschland nach Nepal, weil wir eigentlich die Hochzeit eines gemeinsamen Freundes feiern wollten. Die Hochzeit musste wegen des allgemeinen Chaos nach der Katastrophe abgesagt werden. Stattdessen fuhren wir auf die Dörfer und haben da geholfen, wo die Betroffenen des Erdbebens die Hilfe am dringendsten benötigt haben. Die gemeinsame Arbeit mit Ajit, sein Anpacken, seine Sichtweise und seine Pläne, haben es mir angetan. Als ich hörte, dass er mit seiner Frau – zurück in Deutschland – einen Verein gegründet hatte und Leute für eine Schwesterorganisation in Nepal suchte, war für mich klar: Da will ich mit anpacken und dabei sein.

Was sind deine Ziele für die Zukunft?

Mein Ziel ist es, weiter soziale Projekte zu unterstützen und allgemein, Menschen zu helfen. Ich arbeite bereits als freiwilliger Helfer in einigen Organisationen und möchte das weiter ausbauen. Beispielsweise war kürzlich das jährliche Teej-Festival. An einem bestimmten Tag während dieses Fests kommen abertausende hinduistische Frauen in den Pashupatinath-Tempel. Es sieht einfach gewaltig aus – alle sind in rote Saris gekleidet, schön geschminkt, ihre Hände sind mit Henna bemalt. Sie fasten an diesem Tag, viele trinken nicht einmal Wasser. Und wenn es an diesem Tag sehr heiß ist, fallen die Frauen reihenweise in Ohnmacht und brauchen Hilfe. Das ist ein typisches Beispiel für unsere ehrenamtliche Tätigkeit – wir kümmern uns um die Gläubigen, verständigen deren Angehörigen, lotsen Rettungskräfte durch das Getümmel oder verteilen ganz einfach Trinkwasser. Das verbindet meinen Dienst an meinen Mitmenschen mit meiner Freude daran, unsere nepalesische Kultur zu bewahren. Neben der sozialen Arbeit ist es mir aber auch wichtig, mich beruflich fortzubilden und weiter ein guter Tour-Guide und Fremdenführer für Touristen zu sein. Der interkulturelle Austausch ist mir wichtig und ich vermittle den Menschen gern, dass es nicht heißt, dass wir keine Werte haben, nur weil unser Land arm ist.

Meine große Leidenschaft ist das Reisen. Ich habe mir vorgenommen, erst mein ganzes Heimatland zu bereisen und habe schon einige großartige Touren hinter mir. Meine erste Auslandsreise soll in die Schweiz gehen – wegen der geografischen Vergleichbarkeit mit Nepal.

 

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