Text: Bianca Besele und Claudia Schülein

Das mag sie gar nicht, wenn man sie „Das Küken im Team“ nennt. Aber wenigstens, so freut sie sich, sieht man sie mit dieser Bezeichnung als Mitglied des Teams an. Denn zum Vorstand der in Nepal gegründeten Schwesterorganisation „Sang Sangai Nepal“ gehört die 18-jährige Manita Tamang streng genommen ja nicht. Wohl aber zu der Gruppe von Menschen, die sich für das Wohlergehen der Sang Sangai-Patenkinder einsetzen.

Die junge Frau lebt mit ihrer Familie in Dhading, eine vom Erdbeben besonders schwer betroffene Region zwischen Kathmandu und Pokhara. In Dhading hat Sang Sangai mittlerweile fünf Patenkinder.

In Manitas Zuhause leben vier andere Personen: Die Familie hat die fast 80-jährige Großmutter zu sich geholt. Außerdem sind da der 41-jährige Papa Madan Bahadur, Landwirt, und Mama Usha (39), die die Familie als Hausfrau versorgt und auch auf dem Feld mithilft. Manitas jüngerer Bruder Mukesh (14) lebt auch noch zu Hause. Er geht in die siebte Klasse der Oberstufe. Manitas älterer Bruder Manish ist schon 20 Jahre alt und studiert in Kathmandu. Er verdient sich seinen Lebensunterhalt mit einem Nebenjob in einem Hotel.

Und nun kann auch die junge Frau ihr eigenes Geld verdienen. Jeden Rupee legt sie zurück. „Ich spare für meine Ausbildung“ sagt sie stolz. „Vielleicht kann ich auch bald in Kathmandu studieren“, hofft sie. Später werde sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau und schaffe ganz viele Arbeitsplätze in ihrer Firma, vor allem für junge Frauen, prognostiziert Manita.

Bis dahin muss sie allerdings noch etwas die Schulbank drücken. Manita besucht gemeinsam mit den Sang Sangai-Patenkindern die Blooming Lotus English School. Sie ist in der elften Klasse des Higher Secondary-Levels und macht sich in der Schule so gut, dass das Sang Sangai-Team auf sie aufmerksam wurde. Und bald war es beschlossene Sache – Manita verdient sich etwas für ihre Ausbildung dazu und die fünf Patenkinder treten jeden Abend ab halb fünf für eine Stunde zur Nachhilfe bei ihr an. Bei manchen der fünf bitter nötig – entweder sie hatten vor der Patenschaft noch gar keine Schule besucht oder konnten in den kostenlosen Regierungsschulen kein nennenswertes Bildungsniveau erreichen. „Ganz so ernst wie in der Schule geht es bei uns nicht zu“, lächelt die junge Nepalesin. Vielmehr gebe es in lockerer Atmosphäre die Möglichkeit, der erfahrenen Großen Fragen zu den Unterrichtsinhalten zu stellen.

Da sitzen sie also, die Köpfe tief über ihre Hefte gebeugt. Ein großes Tuch ist auf den staubigen Boden vor Manitas Blechhütte, die der Familie seit dem Erdbeben als Zuhause dient, ausgebreitet. Manita nimmt sich die Hausaufgaben eines jeden einzelnen vor. Fehler korrigiert sie nicht nur, sondern versucht mit dem Patenkind herauszufinden, wie es zu dem Fehler kam, wo das Missverständnis lag. Vertrauensvoll blicken die Kleinen zu ihr auf.

„Wenn ich so mit den Kleinen zusammen sitze, könnte ich mir auch vorstellen, Lehrerin zu werden“ schmunzelt Manita. Sie runzelt die Stirn und grübelt. „Das wäre ja eine ganz neue Idee“ murmelt sie überrascht und blickt sinnierend auf das Reisfeld ihres Vaters hinaus.

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Manita geht mit jedem ihrer Schützlinge einzeln die Hausaufgaben durch und diskutiert die Fehler.

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Manitas Familie vor der Behelfshütte, die ihr nach dem Erdbeben als Zuhause dient.

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Manita in ihrem Festtagssari.